Wie Sie schreibend zu sich selbst finden

 

Beim Wort „Tagebuch“ denken viele Menschen an die Ergüsse liebeskummerkranker Mädchen oder an die Notizen von Berühmtheiten, von denen schließlich jedes Wort der Nachwelt zugänglich gemacht wird.

Sie glauben, Tagebuch sei nichts für Sie? Probieren Sie es aus!

 

 

 

 

Schreiben verändert Sie

 

Tagebuchschreiben ist einfach. Sie müssen nicht krampfhaft etwas erfinden, sondern nur das notieren, was Sie beobachten. Schreiben Sie auf, was Sie tun und fühlen. Dabei werden Ihnen automatisch neue Einsichten und Ideen für Ihre Lebensgestaltung kommen. Die Erfahrung vieler Schriftsteller: Wenn sie an einem Buch arbeiten, bekommt ihr Leben eine Richtung. Das funktioniert auch, wenn Sie nur für sich schreiben.

 

Ein Tagebuch ist zudem eine ausgezeichnete Gedächtnishilfe: Bei der späteren Lektüre alter Einträge werden Sie sich auch an längst Vergessenes erinnern, das Sie gar nicht notiert haben.

 

 

Zum In-die-Hand-Nehmen

 

Schreiben Sie von Hand in ein hübsches, gebundenes Notizbuch. Denn dort lässt sich Geschriebenes ebenso wenig spurlos entfernen, wie Sie aus Ihrem Leben Phasen herausschneiden können.

 

Wenn Sie am PC schreiben: Drucken Sie Ihre Einträge regelmäßig aus, damit sie greifbar für Sie werden. Gönnen Sie sich den Luxus, Ihre Ausdrucke nach einem Jahr zu einem kleinen Büchlein binden zu lassen. Mit einem Passwort schützen Sie Ihre Tagebuchdatei vor neugierigen Blicken (in Word unter „Extras, Optionen, Sicherheit“).

 

 

Gute Gewohnheiten

 

Beginnen Sie in einer stressfreien Phase. Schreiben Sie täglich eine Viertelstunde oder mehr oder weniger, aber nehmen Sie sich eine bestimmte Dauer vor. Machen Sie sich möglichst immer zur selben Zeit dran – wenn es geht, morgens, sodass Sie frisch in den neuen Tag hinein schreiben. Fällt es Ihnen jedes Mal schwer anzufangen, so notieren Sie zu Anfang immer dieselbe banale Information, etwa das Wetter oder Ihr Mittagessen, und schon haben Sie die erste Hürde genommen.

 

 

Der beste Ort für Sie

 

Am besten schreiben Sie daheim. So riskieren Sie nicht, dass Sie Ihr privates Büchlein in der Öffentlichkeit (U-Bahn, Bibliothek, Arbeitsplatz) liegen lassen. Probieren Sie aus, welcher Ort in Haus und Garten Sie in Schreiblaune versetzt. Manche Menschen schreiben gerne sitzend im Bett, andere am Küchentisch, wieder andere im Garten oder auf dem Balkon.

 

 

Nur für Sie bestimmt

 

Bewahren Sie Ihr Tagebuch an einem sicheren Platz auf, und geben Sie es niemand anderen zu lesen. Sie fühlen sich freier, wenn Sie nur für sich selbst schreiben. Ihr Tagebuch ist kein Deutschaufsatz, dessen Schreibfehler oder stilistische Unschönheiten ein Lehrer bewerten wird. Ihr Tagebuch ist kein Lebenslauf in einer Bewerbungsmappe: Bringen Sie keine Lobeshymne auf sich selbst zu Papier, sondern seien Sie ehrlich mit sich selbst.

 

 

Facts & more

 

Schreiben Sie auf, was geschehen ist, aber nicht nur das. Entwickeln Sie zu negativen Erlebnissen (z. B. Konflikte in der Arbeit) auch Ideen, wie’s künftig besser laufen könnte. Geben Sie Ihren Wünschen und Sehnsüchten Ausdruck. („Ich möchte endlich einmal wieder körperlich richtig fit sein.“) Notieren Sie Ihre nächtlichen Träume.

 

 

Was in Ihrem Leben wirklich zählt

 

Nüchtern veranlagten Menschen fällt das Schreiben über Gefühle schwer. Ein guter Einstieg sind Gefühlssymbole wie Smiley, Stern etc., die Sie neben die notierten Fakten (z. B. „Geburtstagsfeier mit der ganzen Familie“ ) zeichnen.

 

Blättern Sie immer mal wieder in Ihrem Tagebuch. Sie werden erstaunt feststellen: „Über so einen Quatsch habe ich mich einmal aufgeregt!“ – „Wie wichtig ist mir diese Freundschaft inzwischen geworden!“ Notieren Sie Ihre neue Sicht auf alte Geschehnisse.

 

Streben Sie nicht nach einer vollständigen Chronologie, sonst nimmt Ihr Tagebuch die Gestalt eines rückwirkenden Terminkalenders an. Achten Sie stattdessen auf einzelne Erlebnisse und Erfahrungen, die für Sie von besonderer Bedeutung sind.

 

 

Experiment Partner-Tagebuch

 

Gemeinsam (eine Zeitlang) ein Tagebuch zu führen kann eine besonders intime Paarerfahrung sein. Eine gute Gelegenheit dafür: der zusammen verbrachte Urlaub. Auf die linke Seite schreibt Er, auf die rechte Seite Sie (oder umgekehrt). Decken Sie beim Schreiben die volle Seite des anderen ab. Weitaus interessanter als Fakten (15.8.: „Schifffahrt über den Bodensee“) ist Ihr Erleben („Eine Kreuzfahrt wäre nichts für mich!“). Lesen Sie am letzten Urlaubstag zusammen Ihr Tagebuch. Staunen Sie darüber, welche unterschiedlichen Erfahrungen und Entdeckungen Sie gemacht haben und wie ähnlich Sie sich in mancher Hinsicht sind.